Outing ist scheiße

Seit ich ein paar Menschen die mir sehr nahestehen von meiner Diagnose erzählt habe, sind exakt diese Menschen fast komplett aus meinem Leben verschwunden. Regelrecht geflohen sind sie. Sie verstecken sich und wollen alle nichts mehr mit mir zu tun haben. Keiner weiß anscheinend mehr mit mir umzugehen. Im besten Fall wird noch etwas rumgedruckst. Alle anderen antworten mir nichtmal mehr. Bin ja schließlich plötzlich total anders. Vorher galt ich als verrückt, bekloppt, unkonventionell, kreativ, chaotisch, spannend anders, alle liebten meine etwas „andere“ Art und tankten sich förmlich daran auf. Hach was war das toll mit so einem schrägen Vogel wie mir Zeit zu verbringen. Tja und heute? Heute wird das selbe Verhalten an mir als behindert gewertet.

Ich bin vom Menschen und Freund zum Behinderten geworden und ich hätte nie gedacht was das für einen gewaltigen Unterschied machen kann.

Ich rede hier nicht von irgendwelchen Menschen sondern den paar wenigen die ich wirklich als beste Freunde ansehe. Menschen die ich als total gute Menschen ansehe, neugierige und offene mit Interesse an Tiefgang, an mir, von nichts zu schocken, Menschen die sich förmlich danach verzehrt haben möglichst täglich Umgang mit mir zu haben. Die mich ständig um Rat baten, meine Meinung hören wollten. Gute Menschen! Auf einmal ist all das weg. Die Augenhöhe ist weg und es ist ein Gefälle entstanden in dem ich plötzlich ein Behinderter bin der ganz unten steht. Man würde mich jetzt sicher nichts mehr fragen.

Ich könnte mir in den Hintern beißen daß ich es ausgerechnet den wichtigsten Menschen in meinem Leben im Vertrauen erzählt habe und nicht den doofen. Nun sind die wichtigsten weg und die doofen bleiben.

Danke liebes Leben für diese Lektion!

Hätteste mir aber auch vorher mal stecken können daß das ne saublöde Idee ist. Aber ich hätte das wahrscheinlich gar nicht geglaubt…

 

 

 

 

Frau Anders kann auch mal was entscheiden

Jawollja, und ich habe es getan. Ich hab es nun richtig klar für mich und es fühlt sich richtig rundherum toll an. Ich tue mich ja immer sehr schwer damit, Dinge zu entscheiden wenn beide Optionen irgendwie attraktiv oder gleich doof sind. Das hat jetzt sehr sehr viel Denkzeit und eine Riesenportion Kraft gekostet. Ich habe mich lange Zeit sehr schwer damit getan, mich richtig zu entscheiden, aber ich freue mich über eine Entscheidung die nun klar und fest steht:

Ich werde mein Kind nicht nach Außen hin outen und mich selber auch nicht mehr, solange es nicht irgendwie relevant wäre oder jemand fragt.

Wir gehen lieber weiter als seltsame Freaks durchs Leben ohne Label um den Hals. Das ist nämlich gar nicht so doof wie immer alle sagen und wir praktizieren das schon viele, viele Jahre sehr erfolgreich. Es reicht ja, selber zu wissen wie man innen so tickt und worauf man besonders acht geben sollte. Man muß es nicht in die Welt hinaus brüllen wo jeder eine andere Idee zu dem Wort X ähm Autismus hat und mir dann vielleicht gar nicht mehr gerecht wird. Das geht auch ehrlich gesagt niemanden was an. Da erzähl ich bei Bedarf lieber von meinen Spezialmacken und lehre mein Kind die Welt da draußen trotz aller Hindernisse zu bewältigen. Ich traue zudem meinem Kind sehrwohl zu, daß es sein Leben auch ohne das große A auf der Stirn packen wird.

Ich sehe schon, wie einige nun aufspringen wie die Rumpelstilzchen und mit ja abers kommen, mit Anprangerungen, schlechten Müttern, fehlenden Hilfen, Chanvenverbauern, schlechten eigenen Erfahrungen, mit Inklusionshemmerthemen und was weiß ich nicht allem. Mir egal. Geht mir alle weg damit! Niemand kennt uns und unsere Familie, niemand weiß was wir zu leisten in der Lage sind. Das ist nämlich so unendlich viel mehr als jeder es auch nur aus meinen Zeilen ahnen kann.

Nehmt es einfach hin daß es uns allen mit dieser Entscheidung verdammt gut geht. Und das ist doch eigentlich das Wichtigste im Leben, oder?

So viel zum grübeln

Ich habe heute das erste Mal im Leben das Wort Autismus (der Eltern) öffentlich geschrieben im Bogen für die Schuleingangsuntersuchung. Das fühlt sich echt seltsam an. Ein bißchen wie eine 100%ige Garantie um zukünftig in blöde Schubladen gesteckt zu werden in denen mich nie vorher jemand sah. Auch jetzt glaubt es mir ja keiner, obwohl ich inzwischen deutlich autistischer wirke als noch vor einem Jahr. Ich bin mir auch noch nicht sicher ob des Datenschutzes über die Infos über meine Person und werde das alles nochmal genauer erfragen. Schließlich hängen davon ein paar Versicherungen wie zB. die Berufsunfähigkeit von ab. Ich denke allerdings, daß ausgerechnet die Schule davon wissen sollte und möchte gerne davon berichten daß wir bisher super klarkommen mit den Anforderungen des Alltags, ich mein Kind als Ergotherapeut quasi selber zu Hause „therapiere“ und auf die Welt vorbereite, es bisher niemand gemerkt hat und wir ihm nicht den Weg mit einem so krass fehlbewertetem Wort wie Autismus für seine Art zu denken verbauen wollen. Zudem hat unser Kind panische Angst vor Ärzten und wir haben daher noch keine Diagnostik angestrebt. Wozu auch? Ich finde dennoch daß sie es zumindest wissen sollten daß unser Kind autistisch ist, auch wenn es noch kein Arzt bemerkt hat und auch das U Heft absolut unaufällig ist. Oder ist das etwa nicht gut das so zu machen?! Ich bin total unschlüssig und nun fang ich schon wieder an zu grübeln ob das nicht richtig ist weil ich meinem Kind damit blöde Steine in den Weg lege oder ob es richtig ist weil ich ihm Chancen auf Unterstützung damit eröffne oder ob ich das vielleicht an der falschen Stelle kundtue und es woanders machen sollte.

rödelrödelrödel…

Dieses blöde Schulding mit all seinen Terminen und Verpflichtungen bringt mich grübeltechnisch noch um. Nun haben wir zB. gesagt bekommen daß ein Hortplatz nicht sicher ist (wir arbeiten beide Vollzeit und die Schule ist um 11 Uhr zuende), es keine Alternativen wie Tagesmütter gibt die frei sind und es steht nun doch noch ein eventueller spontaner Schulwechsel im Raum wo wir uns doch nun auch nach ewigem Gerödel eeeendlich für eine fest entschieden haben. Waaaah!

Seit andere Leute mitreden wollen/müssen über die Gestaltung des Leben des Kindes wird es nur noch komplizierter und komplizierter. Man ey!

Outing vor Eltern oder nicht?

Das Wochenende rückt näher. Ein Wochenende an dem ich alleine mit der Tochter zu meinen Eltern fahren werde. Fragt mich bitte nicht, warum ich das tue. Ich habe mich bewußt und mit dem Wissen um alle Konsequenzen daraus entschieden diesen Kontakt weiter aufrecht zu erhalten. Ich will nämlich einmal nicht in meinem Leben wegrennen und mich einbuddeln, sondern mich meinen inneren und äußeren Dämonen tapfer und aufrecht als erwachsene selbständige freie Frau stellen. Es sind meine Eltern und ich bin ihr Kind. Wir haben viele Jahre zusammen verbracht und ich hab noch viele offene Fragen die ich gerne loswerden möchte, bevor sie aus meinem Leben verschwinden. Ich übe mich also derzeit in Sanftmut obwohl alles in mir eher nach dem Gegenteil schreit.
Soweit so gut. Zu dieser Sanftmut gehört für mich irgendwie auch, ihnen zu erzählen daß ich nun eine Autismusdiagnose habe. Ich bin total unsicher ob ich es tun soll oder nicht. Einen emotionalen Mehrgewinn erwarte ich mir nicht, weder Verständnis noch Ablehnung sehe ich da auf mich zukommen. Dennoch hab ich irgendwie das Gefühl, ich bin es ihnen schuldig daß sie es wissen sollten. was sie dann damit machen, ist ihr Bier. Ob sie mit der Information dann was anfangen können um einige Sachen in der Vergangenheit anders zu bewerten oder um mal wieder ein Thema zum breitreden in der Nachbarschaft haben wie schlecht ich doch bin und wie schwer sie es schon immer mit mir hatten ist mir relativ egal. Aber ein ganz kleines bißchen hoffe ich auf dazu passende Geschichten aus meiner Kindheit. Ich kann mich an so vieles absolut nicht mehr erinnern und ich klaube jede noch so kleine Info auf die ich bekommen kann um weiter zu entdecken wie ich eigentlich vom Grundbauplan so angelegt bin. Da ist über die Jahre so viel drüberweg gekommen daß ich das darunter zwar erahnen kann aber nicht sehe.

Outing

Eigentlich habe ich ja nichts zu outen, dennoch outet man sich ja heutzutage als Autist oder so. Das ist modern, das ist schick und das macht MAN halt so.

Da ich mich gerne in Zukunft noch offener mit meinem schrägen Leben nach außen geben möchte, komme auch ich nicht umher dieses böse „A“ Wort AUTISMUS auch mal in den Mund zu nehmen. Schließlich ist es nicht nur liebgewordener Augenöffner geworden sonder nun eine Art treuer Wegbegleiter. Leider ist das nicht so einfach, denn immer noch haben Menschen keine Ahnung was dieses A ist und kennen maximal die klassischen Dinge wie Blickkontakt, keine Gefühle und so einen Schmarrn. Es muß was ganz schlimmes sein, dieses Autismus. Dieses ganz schlimme Ding darf ich als Tochter nicht haben, als Mutter schon gar nicht und auch Freunde die mein sehr tiefgründiges und emotionales Wesen schätzen sehen immer nur eine neue Flause in meinem Kopf. Ich möchte so gerne erklären was das ist und was das für mich bedeutet, aber das interessiert einfach keinen. Das ist aber auch okay. Denn wer ist schon bereit sich in die tiefsten Tiefen eines anderen Menschen einzuarbeiten, zuzuhören, sein eigenes Wissen über Board zu werfen um mit ihm „mitzuschwingen“? Ich nicht! Mir passiert es ganz oft, wegen meines Autismus mit seiner auch emotionalen Reizoffenheit und den offenen Antennen daß ich das tue. Aber das kann ich doch nicht von anderen verlangen?! Schon gar nicht wenn ich es selber nicht leisten wollte. Das ist ganz schön blöd.

Damit andere es besser annehmen könnten bei mir, interessiert nachfragen und all das tun was ich mir so sehr wünsche bräuchten sie mehr Wissen. Wissen was sie wohl in meinem Leben nie bekommen werden wenn sich in der Öffentlichkeit nicht bald was ändert. Dieses Wissen kann ich ihnen nicht geben, weil sie nicht nachfragen. Aber nachfragen steht logisch ja auch in der Kette der Reaktion nach dem Wissen.

Also es braucht ganz kurz umrissen in einer vorgegebenen Reihenfolge folgendes:  1. fundiertes Grundlagenwissen 2. tieferes Interesse am Gegenüber 3. Nachfragen und eigenes Wissen abgleichen 4. annehmen

Ich kann nicht 3 und 4 erwarten wenn 1 und/oder 2 nicht stimmen. Lose Bekannte mit wenig Grundwissen über Autismus, da sollte ich in Zukunft einfach die Klappe halten, ebenso bei nahestehenden Personen gänzlich ohne Wissen.

Leider schließt es fast jeden Menschen aus, den ich kenne und das fühlt sich wirklich blöd an.

Selbst mein Seelenzwilling der exakt genauso wie ich gestrickt ist in allem failt bei dem Thema, obwohl er zumindest 2 und 3 schafft. Hier mal ein Auszug des besten und einfühlsamsten was ich bisher gehört habe. Alle anderen hauen mir das Thema direkt zweifelnd um die Ohren oder schweigen.

 

Hier also Auszüge von jemandem der 100% ig ebenso Aspie ist und davon nichts weiß und absoluter Seelenzwilling ist. Das ist wahrscheinlich noch das offenste und wertschätzendste was ich bekommen kann. 

 

Ich: out, out, out….schwafel…Stein vom Herz plumps…bin jetzt echt glücklich

Er: Puh, wirklich? Dann bist du aber echt eine ungewöhnliche Aspi daß du das auch noch gut findest…Bei jemand anderem den wir gemeinsam kennen kommt es ja in einiger Hinsicht hin (schräge Beispiele einfüg), aber wie passt denn das bei dir zusammen? Hätte bei dir eher auf HSP getippt das dem Asperger Syndrom ja in vielem sehr ähnlich ist, gibt schließlich große Überschneidungen dort…Du bist also wirklich ganz offiziell diagnostiziert worden?…sicher daß das alles richtig lief?…
Etwas später: So, nur kurz Info an dich: Hab mich nun auch mal selbst eingehender in Asperger eingelesen (n büsschen was wusste ich ja schon vorher).
– Aspis haben in der Kindheit für gewöhnlich keine Sprachstörungen, sondern im Gegenteil eine eher „reine“ Sprache.

Abgleich mit mir und ihm…kann ja nicht passen

– Es wird Blickkontakt vermieden. Bei dir ist ja das genaue Gegenteil der Fall …

– Konzentrationsprobleme: Auch da ist es da doch das genaue Gegenteil! Wenn ich zB. mich auf etwas konzentriere laufe ich Gefahr, alles andere (selbst Gefahren) umher nicht mehr wahrzunehmen…du bist doch genauso…du kannst dich sogar noch viel besser konzentrieren also ich

– Mangelndes Einfühlungsvermögen: Da ist es ja auch, behaupte ich mal so dreist, das genaue Gegenteil bei dir…

– Soziale Isolation, weil als Wohltat wahrgenommen: Ist bei mir ebenfalls exakt gegenteilig. Ich bin ein Menschentier und fühle mich unter Menschen wohler als alleine und du doch auch. Du kannst doch gar nicht einen Tag alleine sein…

Es gibt auch einiges wo es zumindest bei mir jetzt super passt (ungelenke Körpersprache meinerseits, häufig mangelnde Wahrnehmung von Ironie oder Sarkasmus, soziale Interaktionsprobleme, Unfähigkeit mit Gleichaltrigen klarzukommen), aber das reicht ja wohl nicht aus…Naja, auf der anderen Seite, wo hört man da auf…

XYZ meinte mal dass man sich auf HSP testen lassen könne, das muss ich mir auch noch mal genauer ansehen – ich fürchte, dann habe ich auch so nen Stempel, denn vieles was ich von seriösen Seiten her so kenne, trifft auf mich zu 100% zu. Darum weiß ich auch von der Nähe zu Asperger, weil da die Kriterien sehr ähnlich sind zum Teil…

Aber Asperger paßt doch einfach nicht. Weder bei mir noch bei dir. Da kann doch was nicht stimmen. Hast du schon mal einen Test auf HSP gemacht?…Das vermute ich bei dir viel eher…

 

Das tut soooooo weh sag ich euch! Dabei ist es schon das allernetteste was ich von realen Menschen die mir nahestehen bekam 😦
Der redet wenigstens mit mir und vielleicht kann ich irgendwann auch nochmal mehr erklären. Aber dieses zweifelnde was da mitschwingt…das ist es was mich traurig macht und mich eigentlich zurückdrängt mehr erklären zu wollen weil ich denke daß er es eh nie kapieren wird. Tja und das Wissen darum daß mal wieder niemand mir das geben kann was ich gerne hätte und ich einfach weiter alleine für mich sorgen muß.

Das liebe Leute nenne ich Einsamkeit.
Einsamkeit im Geiste